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´Tschuldigung, aber es kotzt mich an

von Angela Weber

Unterwegs mit einem Staffordshire Terrier - Eine ständige Diskriminierung von Hund und Mensch

Endlich Sonne! Das Wetter ist sommerlich schön in diesen Frühlingswochen, viel zu schön natürlich, um den Hund alleine im Auto zurück zu lassen. Ich muss jedoch ein IMG_0769Paket bei der Postfiliale abholen und Emma sitzt gemütlich auf der, im Moment noch, klimatisierten Rückbank. Na dann kommt sie halt mit in den  Schreibwarenladen, der eine kleine Poststelle hier in Alfter betreibt. Die haben selber auch oft einen Hund in den Geschäftsräumen herumlaufen, der tollt den Kunden auch gerne mal zwischen den Beinen herum. Na die können doch nichts gegen Hunde haben!

Emma, unser Staffordshire-Terrier Mädchen, geht wie immer brav an der Leine. Die Mitarbeiterin steht bereits mit einem Kunden in der Tür. Als sie Emma erblickt fällt es ihr aus dem Gesicht: “Oh, da kommt aber ein… aber ein…“. „Hund“, vervollständige ich Ihren Satz. „Ja, ein Hund“ sagt sie. Ich habe den Eindruck, sie hat zwar gemerkt, dass ich den Subtext verstanden habe, dennoch kann sie es nicht unterlassen und schon ploppt es aus ihr heraus: „Wir haben auch hin und wieder einen hier, einen kleinen Rüden, den nimmt der sich wohl zum Frühstück“.
Jetzt muss ich doch noch aufpassen, dass ich beherrscht bleibe, sage daher schlicht: „Eigentlich tut sie sowas nicht“, „Nein? Achso“.
Als sie mein Paket raussucht merkt sie, dass ich von der Hundetagesstätte hundplus bin : „Ach sie sind von dieser , ach so dieser … Hunde...“
Ich sage nichts. Sie meint: „Ja, was die Hundeschulen so machen, finde ich toll. Die helfen den Menschen.“ Ich sage: „Ja“.

Die Rolle der Massenmedien

Die Ablehnung, die einem mit einem Hund der Rassen American Staffordshire Terrier oder Bullterrier entgegengebracht wird, ist deutlich spürbar. Umso mehr wieder,IMG_1853 seit im April der tragische Tod zweier Menschen in Hannover die Medienwelt wieder einmal in Aufruhr versetzte und damit die Debatte um gefährliche Hunde erneut entfachte.

Dass ein Hund dabei alleine aufgrund seiner Rasse als gefährlich beurteilt wird, ist genauso absurd wie die Unterstellung alle Menschen arabischer Herkunft seien  potenzielle Attentäter. Dieser Fehleinschätzung, der viele Menschen hier in beiden Fällen unterliegen ist dem Umstand einseitiger, teils plakativer Berichterstattung zu verdanken. Im Falle der angeblich gefährlichen Hunderassen wurde dies in der Diplomarbeit von Petra Dressler "Medienspektakel um Kampfhunde" wissenschaftlich untersucht. Um zu verkaufen werden Ängste geschürt, hier wie da.

Tödliche Angriffe durch vereinzelte Hundeindividuen auf Menschen, sind  nicht abhängig von der Hunderasse! Die Zeitungsauflagen aber lassen sich mit einer Berichterstattung und einer Hetze, die ihresgleichen sucht, nur allzu gut steigern. Die Erinnerungen der Medien und damit der Menschen, an tödliche Zwischenfälle mit einem Husky¹, Kangal², oder mit Schäferhunden³, werden dagegen schnell wieder vergessen. Die diversen Fälle mit Schäferhunden sind sogar über die allseits beliebte Suchmaschine kaum noch zu finden.
Ich will bitte nicht falsch verstanden werden! Es liegt mir fern, weitere Hunderassen zu diskreditieren - ich möchte verdeutlichen, dass ein Hundeangriff, eines physisch gesunden Hundes, auf Menschen eben unabhängig von der Hunderasse, sondern vielmehr auf dessen soziales Umfeld, also seine Sozialisation zurückzuführen ist!  

Staffordshire Terrier - Kampfhunde?

Das schlechte Image, das Hunde bestimmter Rassen in der Öffentlichkeit genießen und die damit verbundene reißerische Berichterstattung führen DSC00122gerade dazu, dass gewisse Klientel sich für eben diese Hunde besonders interessieren. 

Und ja, natürlich ist der Name "Kampfhund" - der im Übrigen keine Rasse kennzeichnet - eine Rasse Kampfhund gibt es nicht (!) - auf die einstige - und leider im Geheimen noch immer stattfindende, Ausbildung von Hunden für die sogenannte "Pit", die Hundekampfarena, zurückzuführen.
In diesen unmenschlichen Kämpfen werden eben gerne American Staffordshire Terrier, Pitbulls und Co eingesetzt. Nicht etwa, weil sie von Natur aus aggressiv sind, sondern bezogen auf ihre Körpergröße sehr kräftig und extrem wendig und damit schnell, dazu ausdauernd und zielstrebig. Sehen Sie sich zum Beispiel die Jack Russel Terrier an, dann wissen Sie vielleicht, was ich meine.

Eine Besondere Menschenfreundlichkeit der "Kampfhunde" ?

Falls Sie nicht ahnen, wie derartige Hundekämpfe ablaufen, müssen Sie wissen, dass bei diesen Kämpfen die Hunde immer wieder mal voneinander getrennt werden müssen. Nämlich dann, wenn sie sich derart ineinander verbissen haben, dass keiner mehr den anderen loslässt und der Kampf damit nicht zum Ende, also 100_0188zum Tod oder zumindest zur finalen Niederlage des Kontrahenten kommen kann. Hierfür werden sogenannte "Breaking Sticks" verwendet. Damit werden von den jeweiligen "Haltern" der Hundekontrahenten die Kiefer auseinander gehebelt und die Hunde gleichzeitig voneinander weggezogen, um sie unmittelbar darauf wieder aufeinander loszulassen. 

Bei der Auswahl von Hunden für Hundekämpfe muß daher zwangsläufig ein besonderes Augenmerk auf die Menschenfreundlichkeit der Hundeindividuen gelegt werden - denn keines dieser Arschlöcher (Entschuldigung) möchte von seinen eigenen Hunden angegriffen werden.
Ich will jetzt nicht vom Nanny-Dog anfangen - als der der Pitbull ja gemeinhin auch gilt, sprich als idealer Begleiter für Kinder - aus den gleichen Gründen übrigens, aus denen er so gut für die "Pit" geeignet ist.  
Die Bezeichnung als "Nanny-Dog" aber misfällt mir fast ebenso, wie die Bezeichnung "Kampfhund", denn sie suggeriert, dass Hunde selbstständig auf Kinder aufpassen können und dass das Kind durch den Hund geschützt ist. Etwas derartiges traue ich keiner Hunderasse zu.
Wer seinen großen Hund unbeaufsichtigt mit Kindern lässt, handelt in meinen Augen verantwortungslos. Das genau sind dann die Situationen, in denen es zu Unfällen kommt. Die meisten Beissvorfälle mit Hunden jeglicher Rassezugehörigkeit passieren im eigenen häuslichen Umfeld und nicht selten sind Kinder die Opfer!

Ich halte fest: Der American Staffordshire Terrier, Pitbull Terrier, Bullterrier und der Staffordshire Bullterrier, die ja gemeinhin als gefährliche Hunderassen gelten sind genauso gefährlich oder nicht gefährlich, wie jede andere Hunderasse auch!
Was Hunde gefährlich machen kann, ist eine schlechte Sozialisation, gewollt oder ungewollt, gepaart mit einer entsprechenden Größe. Die Verordungen der Bundesländer und das entsprechende Landesgesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde, entstanden heraus aus reinem Medienpopulismus, gaukeln eine scheinbare Sicherheit vor und schützen den Menschen nicht vor gefährlichen Hunden. 

Wenn ich dann ganz tief in mich gehe und an die Entstehung derartiger, dummer Gesetze denke, dann fällt mir immer wieder das Zitat Otto Fürst von Bismarcks ein: "Wer weiss, wie Gesetze und Würste zustande kommen, kann nachts nicht mehr ruhig schlafen."

 

¹ Husky tötet Baby in Cottbus
² Hund tötet Seniorin
³ Tödliche Attacken von Hunden auf Kinder, Aktualgenese und Motivation bei spezifischer Kasuistik und bestimmten pathomorphologischen Veränderungen, S. Heinze · D.U. Feddersen-Petersen · M. Tsokos · C. Buschmann · K. Püschel, Rechtsmedizin 2014 · 24:37–41
DOI 10.1007/s00194-013-0932-3
 Beißvorfälle unter Berücksichtigung der Hunderassen in Deutschland und Umfrage bei Hundebisspatienten in vier Berliner Kliniken, Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Veterinärmedizin an der Freien Universität Berlin vorgelegt von Kathrin Roiner Tierärztin aus Hanau, 2016

 

Ein Gedanke zu „´Tschuldigung, aber es kotzt mich an

  1. Boris Kuntzmann

    Danke für diesen Beitrag, er spricht mir aus der Seele. Wenn "Listenhunde" allein dadurch schon diskriminiert werden, dass sie von Nicht-Fachleuten in eine bestimmte Ecke gedrängt werden, dann ist das auf das Schärfste zurückzuweisen. Sozialisation ist das Entscheidende Kriterium, keine Liste. Egal, ob Schäferhund, Yorkshire oder Staff: Die Sozialisation ist für das Verhalten der wesentlichste Punkt. Ich besuche diese Alfterer Filiale auch öfter, und die Angestellten waren immer nett. Offensichtlich fehlt der Öffentlichkeit eine korrekte, umfassende Information über diese bescheuerte "Rasseliste" der NRW Regierung....

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